Wissenschaft23. Februar 2019

Fermis Paradoxon

Aliens, Außerirdische. Andere Lebensformen.

Einer der wesentlichen Antriebe hinter der Raumfahrt und der Beobachtung anderer Sterne ist die Suche nach neuen Zivilisationen. Vielleicht in der Hoffnung auf ein gemeinsames, höheres Ziel, das die Menschheit davon abbringen kann, sich selbst zu vernichten.

Aber wo könnten diese Aliens sein? Sind sie wirklich schon auf der Erde? Vielleicht sogar in Kontakt mit den mächtigen dieser Welt, die diese Erkenntnis als großes Geheimnis hüten? Oder gibt es sie gar nicht?

Das Paradoxon

Wenn es sie gibt, warum sind sie nicht hier?

Das ist kurz gefasst der Tenor des Fermi Paradoxons. Darüber hinaus postulierte Fermi aber auch eine Antwort. Er behauptete überspitzt: Sie sind nicht hier, weil es sie gar nicht gibt.

Die Drake Gleichung

Der amerikanische Wissenschaftler Frank Drake stellte in den 60er Jahren eine Gleichung auf, die abhängig von vielen Faktoren die Anzahl der intelligenten, außerirdischen Welten in der Milchstraße ermittelt.

$$ N = R^* \times f_p \times n_e \times f_l \times f_i \times f_c \times L` $$

Das Ergebnis ist bekannt. N ist die wahrscheinliche Anzahl intelligenter Zivilisationen in unserer Galaxie. Bekannt ist lediglich, dass die Zahl größer oder gleich eins ist (denn offensichtlich gibt es immerhin uns). Darüber hinaus hängt das Resultat von sieben weitgehend unbekannten Faktoren ab.

$R^*$: Die mittlere Sternentstehungsrate pro Jahr in einer durchschnittlichen Galaxie wie unserer. Die Zahl lässt sich ganz gut einschätzen. Sie liegt Beobachtungen zufolge bei etwa 8 wenn man halbwegs vorsichtige Schätzungen annimmt.

$f_p$: Der Planetenfaktor. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Stern Planeten aufweist. Wir können die Planetendichte in den näheren Sternsystemen inzwischen etwas besser einschätzen. In den letzten Jahren haben viele Entdeckungen dazu geführt, dass diese Wahrscheinlichkeit deutlich nach oben korrigiert werden konnte. Allerdings haben gewisse Sternkonstellationen, vorrangig Mehr-Körper-Systeme instabilere Planetenkonstellationen. Außerdem geht man davon aus, dass sich die Wahrscheinlichkeit Richtung Galaxiezentrum deutlich verringert, da sich die Sternensysteme näher stehen und dadurch mehr beeinflussen. Die Wissenschaft ist sich uneinig. Nehmen wir also eine pessimistische 0,2.

$n_e$: Die Anzahl der Planeten. Die durchschnittliche Anzahl an Planeten in einem Planetaren System, die sich innerhalb der habitablen Zone befinden. Im Sonnensystem sind das drei — Venus, Erde und Mars. Viele Wissenschaftler halten allerdings die Entstehung von Leben auf mindestens zwei weiter außen liegenden Monden ebenfalls für möglich. Pessimistisch könnte man daher von der Zahl 2 ausgehen.

$f_l$: Der Lebensfaktor. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Planet innerhalb der habitablen Zone auch Leben hervorbringt. Unsere Technik erlaubt es uns bislang nicht, Lebenszeichen wie Sauerstoff oder Methan außerhalb des Sonnensystems zu messen, aber die Technik liefert ständig präzisere Ergebnisse. Bislang konnten wir Leben also nur hier auf der Erde nachweisen, dessen Vorstufen wie komplexere organische Verbindungen allerdings auch anderswo, beispielsweise in Kometen. Darüber hinaus gibt es Experimente, die Bedingungen der Erdfrühzeit simulierend solche langkettigen organischen Moleküle entstehen ließen. Leben ist daher nicht vollkommen ausgeschlossen, dennoch sind alle Schätzung nach heutiger Erkenntnis hochspekulativ. Ich persönlich würde mit der Schätzung auf 1/100 tippen, 0,01.

$f_i$: Der Intelligenzfaktor. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich auf einem belebten Planet auch intelligentes Leben entwickelt. Wir wissen auch hier, dass diese Zahl größer als 0 ist. Dennoch scheiden sich die Geister bereits bei der Ausgangsfrage, wie der Begriff Intelligenz überhaupt zu definieren ist. Diese Zahl werden wir noch näher beleuchten und bezeichnen sie zunächst als X.

$f_c$: Der Kommunikationsfaktor. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine intelligente Zivilisation auch kontaktfreudig genug ist, um aufgespürt werden zu können. Diese sollte relativ hoch sein. Dennoch bewegen wir uns hier ausschließlich im philosophisch-spekulativen Bereich, der sich jeder wissenschaftlichen Grundlage entzieht. Die Schätzung pendelt sich für mich bei optimistischen 50 Prozent ein, 0,5.

$L$: Die Lebensdauer einer technischen Zivilisation. Die Erde befindet sich erst seit circa 100.000 Jahren auf dem aktuellen evolutionären Level. Ihre Bewohner können seit ca. 3000 Jahren als Zivilisation bezeichnet werden. Die Menschheit stand bereits vor 50 Jahren der Auslöschung durch einen Atomkrieg nahe und wird in 50 Jahren mit der nächsten Katastrophe von globalem Ausmaß in Form der Erderwärmung zu kämpfen haben. Sollten wir diese überstehen und uns auf andere Planeten verteilen können, wäre ein wichtiges Nadelöhr durchschritten und unsere Zivilisation möglicherweise langfristig lebensfähig. Nehmen wir 10.000 Jahre an.

Für eine eigene Schätzung ergibt sich daher aktuell (sofern wir die einzigen intelligenten Wesen in der Milchstraße sind)

$$ 8 \times 0,2 \times 2 \times 0,01 \times x \times 0,5 \times 10.000 = 1 $$

Oder:

$$ 160 \times x = 1 $$

Und damit als Ergebnis:

$$ x = 1 / 160 $$

Jedem 160ste Planet, der es schafft Leben entstehen zu lassen, gelingt es auch, Intelligenz hervorzubringen. Das kommt mir sogar sehr viel vor.

Einige Wissenschaftler, unter ihnen beispielsweise Carl Sagan, haben höhere Zahlen ermittelt. Optimistische Modelle gehen von 100 Zivilisationen aus, manche gar von 4 Millionen. Wie man beim Spielen mit den Parametern sieht, hat die Lebensdauer einer Zivilisation einen erheblichen Einfluss, der oben mit konservativen 10.000 Jahren angenommen wird. Falls eine Zivilisation ihre gefährliche mono-planetare Phase überlebt (hier können Katastrophen und Kriege sehr einfach eine komplette Zivilisation bereits im Keim ersticken), kann ihre Lebenszeit deutlich länger sein.

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Was wir über uns wissen, könnten wir aber auch auf umgekehrte Gedankenexperimente anwenden. Denkt man in galaktischen Zeiteinheiten, so kommt einem unsere Entwicklungsgeschwindigkeit, beispielsweise der letzten 200 Jahre, kometenhaft vor. Im Anbetracht einer 13,8 Mrd. Jahre alten Geschichte des Universums sind 1000 Jahre nichts. Schätzen wir daher großzügig:

  • Spätestens in 1000 Jahren, sprich im Jahr 3000, wird die Menschheit in der Lage sein, ein Mehrgenerationenschiff bauen, das unter Einbeziehung der physikalischen Grenzen, also ohne Science Fiction das nächstgelegene Sonnensystem, Alpha Centauri, erreichen kann.
  • Bei 10-prozentiger Lichtgeschwindigkeit kann das innerhalb von 40 Jahren gelingen. Die Bewohner des Schiffs könnten dort eine neue Zivilisation aufbauen und dort vorhandene Ressourcen selbst dann nutzen, wenn keine habitablen Planeten vorhanden sind.
  • Weitere 1000 Jahre später können zwei weitere interstellare Expeditionen jeweils von der Erde und von Alpha Centauri aus die nächsten Sternensysteme bereisen
  • Die Gleichung entwickelt sich exponentiell, allerdings nicht zur Basis 2, da innen liegende Welten, also diejenigen, die bereits von anderen Zivilisationskeimen umgeben sind, keine neuen Welten mehr entdecken werden. Sie würden einfach zu lange benötigen, um ins nächstgelegene freie Sternensystem zu gelangen.
  • In der Annahme, dass sich die Besiedlung kugelförmig ausbreitet, wird lediglich ein Mantel von ca. 15 Lichtjahren Dicke in der Lage sein, neue Welten zu entdecken.
  • In diesem Fall kommt man mit ein wenig Rechenarbeit auf einen Verbreitungswert von 1.0018, was zu einer einfachen Zinseszinsrechnung mit einem Zinssatz von 0,18 Prozent führt.

Das führt zum Ergebnis, dass nach ca 15.000 Iterationen oder 15 Millionen Jahren jedes einzelne Sonnensystem der Milchstraße besiedelt sein könnte. Auch wenn die Zahl auf den ersten Blick groß erscheinen sollte, universell betrachtet ist das lediglich ein Wimpernschlag. Vor 15 Millionen Jahren waren die Dinosaurier bereits seit 50 Millionen Jahre ausgestorben. Würde man die Entstehung des Universums auf einen Tag zusammenkomprimieren, würden wir von einer Minute sprechen.

Hinzu kommt, dass die Berechnung konservative Annahmen trifft. Jede Iteration nimmt sich 1000 Jahre für den nächsten Besiedlungsschritt Zeit. Die dafür nötige Technologie steht uns Menschen aktuell spätestens in 200 Jahren zur Verfügung und müsste sich in all der Zeit in allen Iterationen nicht einmal weiterentwickeln.

Spannend wird es dann, wenn wir die vielen Zufälle mit einbeziehen, die zu unserer Entstehung geführt haben. Meteoriteneinschläge, zufällige Mutationen, Vulkanausbrüche. All das hatte enormen Einfluss auf die Zeit. Eine Zivilisation auf einem anderen Stern innerhalb der Milchstraße könnte daher ohne Probleme weitaus älter sein und hätte ihrerseits schon längst das 15 Millionen Jahre dauernde Kunststück vollbringen und die gesamte Galaxie besiedeln können.

Dennoch ist niemand hier.

Warum gibt es keine Außerirdischen auf der Erde?

Wie man sieht, ist es durchaus möglich, dass wir alleine in unserer Milchstraße sind, beziehungsweise dass die Milchstraße von nur einer einzigen Zivilisation dominiert wird.

Doch geben die Berechnungen nach wie vor her, dass es andere Zivilisationen gibt. Was könnte es also noch für Gründe geben, dass wir sie noch nicht gesehen haben?

  • Es gibt sie gar nicht. Nicht unwahrscheinlich, wie wir gesehen haben.
  • Es gibt andere Zivilisationen, aber sie sind zu weit weg. Wenn es andere intelligente Zivilisationen gibt, das sieht man an uns, genügen nur 100 Lichtjahre, um sie vollständig außer Reichweite zu bringen. Kontakt wäre weder über Radiowellen noch über optische Geräte möglich. Unser und deren blinder Fleck für andere Zivilisationen in der Milchstraße beträgt 99,9999 Prozent
  • Es gibt eine uns weit überlegene Zivilisation, die uns aber bewusst in Ruhe lässt. Sie greift einfach nicht in unsere Geschehnisse ein. Vielleicht, einfach um zu beobachten, ob wir überhaupt Potenzial haben und ob es sich lohnt, mit uns in Kontakt zu treten.
  • Sie sind schon da. Sie beobachten uns nicht nur, sondern sie studieren uns. Sie leben unerkannt unter uns oder beobachten uns von außen. Sie lassen uns weitgehend in Ruhe und wollen nichts beeinflussen, lenken aber gewisse Dinge auf der Erde indem sie beispielsweise dafür sorgen, dass wir uns nicht selbst gefährden.

Fazit

Die letzte Möglichkeit ist die romantischste. Genauso könnte aber die Menschheit in einer solchen Situation reagieren. Wissenschaftler studieren die Primitiven, um Rückschlüsse auf sich selbst zu ziehen oder zu anderen neuen Erkenntnissen zu kommen. Nichts anderes tun wir bereits überall auf unserem Planeten. Unentdeckt blieben wir dabei in der Vergangenheit aber selten.

Müsste ich eine Wette abschliessen, würde ich tatsächlich auf Möglichkeit 1 tippen. Wir sind alleine, nicht im gesamten Universum, aber innerhalb der Milchstraße. Warum also sollten wir uns nicht trauen? Warum entkoppeln wir uns nicht von unserem Heimatplaneten und unserem Heimatstern, starten, was erst 500.000 Generationen später beendet werden kann und besiedeln die Milchstraße.

Vielleicht läuft, fliegt oder kriecht uns ja doch irgendwo eine andere Zivilisation über den Weg und bereichert unser Verständnis von der Welt.

Interesse an mehr?

Die Kurzgeschichte “Die vierte Welle” basiert auf dem Gedankenexperiment aus dem Mittelteil dieses Artikels. Mijkl und 10.000 andere Pioniere werden in einem Generationenschiff auf die Reise zu einer neuen Welt geschickt. Es ist die vierte Iteration, nachdem die Mission über 2.500 Jahre zuvor auf der Erde gestartet war.

“Die vierte Welle” ist bei Amazon als Kindle E-Book für 99ct erhältlich.

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